Rund um Marburg


Mörderinnen. Künstlerische und mediale Inszenierungen weiblicher Verbrechen

Hyunseon Lee, Isabel Maurer Queipo (Hg.)

Weibliche Verbrechen werden nicht nur als Normverletzungen im ethischen, juristischen oder humanitären Sinne wahrgenommen – sondern auch und vor allem als Verstöße gegen Gendernormen. Welche Körperstereotype werden in diversen Medien und Gattungen mobilisiert oder kritisch befragt? Welche Vorstellungen von »richtigen« Geschlechterverhältnissen und Geschlechtsidentitäten kommen dabei ins Spiel?
Diese und andere Fragen werden in »Mörderinnen« von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen an Repräsentationen von Mörderinnen in Film, Bild, Oper, Literatur und Massenmedien diskutiert und durch Beiträge des Autorenduos Peter Hiess/Christian Lunzer und des Kriminalisten & Autors Stephan Harbort bereichert.


Familie und Staat

(PROKLA)

Obwohl in der bundesrepublikanischen Gesellschaft neben der traditionell-heterosexuellen Familienform mannigfaltige Formen des Zusammenlebens entstanden sind, dominiert auch bei vielen jüngeren Menschen weiterhin das traditionelle Bild von Familie. Diese traditionelle Familienform ist nicht zuletzt auch deswegen vorherrschend, weil die staatliche Familienpolitik, aller Gleichstellungsrhetorik zum Trotz, zu ihrer Reproduktion beiträgt. PROKLA 173 zielt auf den Zusammenhang zwischen Familie und Staat – und dessen historische Dynamik. Abseits tagesaktueller Debatten soll nach Widersprüchen und Ungleichzeitigkeiten zwischen kulturellem und sozioökonomischem Wandel einerseits, Familienmodellen und Familienideologien andererseits gefragt werden.


Queer und (Anti-)Kapitalismus

Voß, Heinz-Jürgen / Wolter, Salih Alexander:

Die «Erfolgsgeschichte» der bürgerlichen Homo-Emanzipation in den westlichen Industriestaaten während der letzten Jahrzehnte fällt mit der neoliberalen Transformation der Weltwirtschaft zusammen. Während vor allem weiße schwule Männer Freiheitsgewinne verbuchen, kommt es zu einem entsolidarisierenden Umbau der Gesellschaft, verbunden mit zunehmend rassistischen Politiken im Innern; zugleich dient der «Einsatz für Frauen- und Homorechte» als Begründung für militärische Interventionen im globalen Süden. Dabei waren es schon 1969 in der New Yorker Christopher Street «[S]chwarze und Drag Queens/Transgender of colour aus der Arbeiterklasse», die den Widerstand gegen heteronormative Ausgrenzung und Gewalt trugen und «sich in Abgrenzung zu weißen Mittelklasse-Schwulen und [-]Lesben ‹queer› nannten, lange bevor deren akademische Nachfahren sich diese Identität aneigneten» (Jin Haritaworn). Doch auch hierzulande sind es die queer People of Color, die aktivistisch wie theoretisch gesamtgesellschaftliche Perspektiven jenseits des gängigen Homonationalismus entwickeln.
Im Band betrachten wir die aktuell viel diskutierten Ansätze einer ‹queer-feministischen Ökonomiekritik› vor dem Hintergrund queerer Bewegungsgeschichte. Wir zeigen mögliche Verbindungen zum ‹westlichen Marxismus› Antonio Gramscis, zum postkolonialen Feminismus Gayatri Chakravorty Spivaks, zu den «Eine-Welt›»Konzepten von Immanuel Wallerstein und Samir Amin auf. Wegweisend ist für uns ein intersektionales Verständnis, wie es Schwarze Frauen und queere Migrant_innen in der Bundesrepublik bereits seit den 1980er Jahren erarbeitet haben. Uns interessiert in diesem Band, wie Geschlecht und Sexualität – stets verwoben mit Rassismus – im Kapitalismus bedeutsam sind, sogar dort erst aufkommen oder funktional werden. Theoretisch, historisch und immer mit Blick auf Praxis untersuchen wir die Veränderungen der Geschlechter- und sexuellen Verhältnisse der Menschen unter zeitlich konkreten kapitalistischen Bedingungen. Wem nützen die geschlechtlichen und sexuellen Zurichtungen der Menschen im Kapitalismus, und was lässt sich aus den historischen und aktuellen Kämpfen für queere Kapitalismuskritik lernen?


Sorgeverhältnisse

feministische Studien

Nach 13 Jahren ist wiederum ein Heft der Feministischen Studien schwerpunktmäßig dem Thema Care / fürsorgliche Praxis gewidmet. Blickt man zurück auf die im Extraheft der Feministischen Studien zu Fürsorge – Anerkennung – Arbeit im Jahre 2000 verhandelten Themen, so wird Unabgegoltenes, aber auch Weitergeführtes deutlich: Fürsorge als politisches Korrektiv war eine der Thematiken­, zu denen Christel Eckart, Joan Tronto und Margrit Brückner aus zeit-, demokratie- und sozialpolitischer Perspektive zur Jahrhundertwende Analysen und Vorschläge vorlegten, die Mechthild Veil mit einer Kritik der Arbeitspolitik in Deutschland ergänzte. Erschien das Heft nur wenige Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung, so ist die Pflege und Betreuung alter Menschen inzwischen ein Thema geworden, das fast täglich die Presse füllt und zu immer neuen Gesetzesinitiativen führt. Aber auch die Fragen der Kinderbetreuung und der Erziehung sind auf die politische Agenda gekommen, vom Elterngeld über das Recht auf einen KITA-Platz bis hin zum Betreuungsgeld. Die Tatsache existenzieller Angewiesenheit aller Menschen auf die Fürsorge anderer wird gerade in alternden Gesellschaften, zu denen auch Deutschland zählt, unausweichlich.
Die gesellschaftlichen Debatten und auch sozialpolitische Regelungen im Bereich Care / fürsorgliche Praxis sind voran geschritten, ohne dass sich die Richtung der gesellschaftspolitischen Entwicklung grundsätzlich geändert hätte. …


Dark Continents und das UnBehagen in der weißen Kultur Rassismus, Gender und Psychoanalyse aus einer Critical-Whiteness-Perspektive

Martina Tißberger

Mit Sigmund Freuds Allegorisierung weiblicher Sexualität als dark continent verweist er unbeabsichtigt auf die Konfluenz von ›Rasse‹ / ›Primitivität‹ und Gender / ›Weiblichkeit‹ als konstitutive Ausschlüsse von Subjekt und Kultur der Moderne. Whiteness und Phallus werden zum Fetisch, ›Rasse‹ und ›Weiblichkeit‹ zum Vor-und-Außerhalb dieses Subjekts – zu seinem Unbewussten. Aufgrund von Freuds ambivalenter Position als Jude in einer antisemitischen und als weißer Mann in einer kolonialistischen und sexistischen Gesellschaft hat seine Psychoanalyse das Potenzial, reaktionären als auch revolutionären Zwecken zu dienen.

Martina Tißbergers Studie geht mithilfe von Judith Butlers dekonstruktiver Lesart der Psychoanalyse queer durch ihre Episteme der Frage nach, wie Rassismus und Sexismus ›unter die Haut‹ gehen und wie sie zu ›eingefleischtem Wissen‹ werden, das sich gegen Aufklärung immunisiert. Ihre postkolonial-poststrukturalistische Kritik an der psychoanalytischen Kultur- und Subjekt(ivierungs)theorie legt offen, welche Bemächtigungsgeschichten in ihrem ›topisch‹ Unbewussten gespeichert sind. Mit der Dynamik gegen die Topik liest sie das Unbehagen in der weißen Kultur und argumentiert, dass die Nervosität des Weißseins, wenn der ›der verlorene Referent spricht‹ –  die Bemächtigungsgeschichte das Subjekt von Whiteness heimsucht –, zum Ausgangspunkt für die Destabilisierung von Whiteness als unbewusstem Kern des Rassismus gemacht werden soll.


Text. Nation. Geschlecht. Schriftstellerinnen der polnischen Romantik

Samanta Gorzelniaks Untersuchung ist ein Plädoyer für Dezentrierung,
Vieldeutigkeit und Komplettierung der Forschung und Lehre zur polnischen
Romantik.
Aufgrund ihrer sich mittels Verschriftlichung eröffnenden Tradierbarkeit
wurden die in der polnischen Romantik entstandenen Texte aus weiblicher
Feder zu expliziten Botschaften an Leserinnen und nachfolgende
Schriftstellerinnen-Generationen. Diesen Umstand stellt Samanta Gorzelniak
in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Dabei fokussiert sie auf die
Spannung, die sich aus der Diskrepanz von Liebesideal und Realität ergibt.
Ihr Ansatz komplettiert damit die Forschung zur polnischen Romantik durch
eine bisher verborgene Linie.


GESCHLECHT UND POLITISCHE PARTIZIPATION IN ASIEN

femina politica: 2/2013

ist ein Kontrastprogramm zur aktuellen Neuauflage bekannter geschlechterpolitischer Debatten in der
Bundesrepublik und beschäftigt sich mit einer von der deutschen Politikwissenschaft nur wenig beachteten Region.
Das vielfaetige „Laboratorium“ geschlechterpolitischer Projekte und Kontroversen in Asien lohnt eine verstärkte
Rezeption gerade in vergleichenden politikwissenschaftlichen Studien. Nur kurz herausgegriffen aus dem restlichen
Heft sei der Blick auf das kuenstlerische Projekt Lady Gaga im Forum sowie vier Beitraege, welche die
feministische Wissensproduktion vor dem Hintergrund vielfach diskutierter Oekonomisierungsprozesse in
Forschung und Lehre reflektieren.


Queerulant_in
Queere Politiken und Praxen, unbezahlbar und kostenlos

Erschienen: 4/2013

folgende Artikel enthalten:

  • LGBT*IQ und Asyl: „Nach Einschätzung des BAMF wird im Asylverfahren eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung eher selten vorgetragen und glaubhaft gemacht.“
  • Xie*: Pronomen ohne Geschlecht.
  • Bifeindlichkeit: Unsichtbarkeit von Bisexualität und Stereotype gegenüber Bisexuellen.
  • Die Thematisierung von Trans* in der sexualpädagogischen Bildungsarbeit
  • Fremde Federn. Dragqueens auf dem CSD – was machen die da eigentlich?
  • Schwules koreanisches Kino: Miracle on Jongno Street.
  • Interview zum Thema Blutspende. “AIDS ist keine ehrenrührige Krankheit.” Mario Ferranti von der AIDS-Hilfe Marburg e.V. im Gespräch.

Karriere »Grundschulleitung«
Über den Einfluss des Geschlechts beim beruflichen Aufstieg ins Schulleitungsamt

(Wiebke Bobeth-Neumann)

»Meinst du, ich pack das?« In der Schulform
Grundschule ist das quantitative Ungleichgewicht zwischen Lehrerinnen
und Lehrern besonders eklatant. Wenngleich ein deutlicher Aufwärtstrend von Frauen in der Schulleitung zu verzeichnen ist, wird mehr als ein Drittel der Schulleitungspositionen an Grundschulen von Männern bekleidet – und das bei einem Gesamtanteil der Männer am Kollegium von nur ca. 12 Prozent.
Diese Studie untersucht den Aufstiegsweg von Grundschullehrkräften ins Schulleitungsamt und liefert Erklärungen für unterschiedliche Karrieremuster. Zudem stellt Wiebke Bobeth-Neumann die Frage ins Zentrum, ob und in welcher Form Geschlecht als Strukturkategorie auf diesen beruflichen Aufstieg Einfluss nimmt.


Kollektivität nach der Subjektkritik
Geschlechtertheoretische Positionierungen

(Gabriele Jähnert, Karin Aleksander, Marianne Kriszio)

Formen von Kollektivität prägen nahezu alle Lebensbereiche und gesellschaftlichen Zusammenhänge. Sie sind Grundlage der vielfältigen Varianten von Politik und sie ergeben sich in Arbeitsverhältnissen. Kollektivität wird zum begrifflichen Dreh- und Angelpunkt, wenn man maßgeblichen Strömungen feministischer Theoriebildung folgt, die nicht von einem souveränen, isolierten Subjekt ausgehen.
Dieser Band fragt danach, wie sich Gemeinschaften denken lassen und wie Kollektivität vorgestellt werden kann, wenn die scheinbar zentrale Kategorie zur Vergemeinschaftung, die Kategorie der »Identität«, zum kritischen Projekt geworden ist.